Pippa Schneider: Rede zu "Studieren in Niedersachsen – Attraktivität steigern, Konkurrenzfähigkeit erhalten" (Antr. SPD/Grüne)

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TOP 23: Studieren in Niedersachsen – Attraktivität steigern, Konkurrenzfähigkeit erhalten (Antr. SPD/Grüne)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Im Wintersemester 2022/23 waren knapp 200 tausend Studierende an niedersächsischen Hochschulen eingeschrieben, fast 10 tausend Studierende weniger, als noch im Wintersemester 2020/21. Und auch die Zahl der Studienanfänger*innen liegt weit unter dem Niveau des Jahres 2019. Diesen Rückgang sehen wir bundesweit. Niedersachsen gehört aber nach Bayern und Nordrhein-Westfalen zu den Ländern mit dem stärksten Rückgang an Studienanfänger*innen.

Gemeinsam mit den Hochschulen wollen wir als Landespolitik die Gründe für diesen Rückgang genauer analysieren. Unser Ziel ist dabei den Zugang zum Studium für eine vielfältige Studierendenschaft zu öffnen und Barrieren abzubauen. Es braucht spezifische Unterstützungsstrukturen vor dem Hintergrund der Heterogenität der Studierendenschaft

Ein wichtiger Punkt, für den es dringend mehr Unterstützung braucht, ist die bessere Vereinbarkeit von Sorgearbeit und Studium. Hier braucht es unter anderem eine Flexibilisierung der Studienbedingungen und auch ganz konkret Beratungs- und Unterstützungsangebote. Oft sind es kleine Punkte, die im Ergebnis jedoch einen großen Unterschied machen. Ich habe im Bachelorstudium mein erstes Kind bekommen und habe genug Situationen erlebt, in denen die Vereinbarkeit von Kindererziehung und Studium nicht immer einfach war. In einer Pflichtvorlesung gab es nur Übungsgruppen von 16 bis 18 Uhr – da hatte nur leider die Kita schon zu. Ein anderer Übungsgruppenleiter hat darauf bestanden immer um Punkt acht anzufangen – und auch das ist für Studierende Eltern nicht machbar, wenn man die Kinder erst um acht zur Kita bringen kann. Dann wurde mir empfohlen, dass ich doch einfach ein Teilzeitsemester machen kann. Problem daran: BAföG bekommt man beim Teilzeitstudium nicht, der Lebensunterhalt ist damit also auch nicht gesichert.

Das zeigt sehr deutlich, dass es hier noch einen großen Nachholbedarf gibt. Studienbedingungen müssen flexibler gestaltet werden. Davon profitieren nicht nur studierende Eltern, sondern auch Menschen mit Sorgeverantwortung generell und auch Studierende mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen.

Es braucht mehr Möglichkeiten zum Teilzeit- und berufsbegleitenden Studium und eine Flexibilisierung und finanzielle Absicherung dieses Teilzeitstudiums.

Und nicht zuletzt braucht es eine bedarfsgerechte Studienberatung für eben diese vielfältige Studierendenschaft.

Ein weiteres wichtiges Thema ist gerade in der Corona Pandemie massiv hochgekocht: nämlich die psychische Gesundheit von jungen Menschen und Studierenden. Soziale Isolation, online Lehre, bei der man nur in schwarze Zoomkacheln starrt, für viele Erstsemester eine neue Stadt, in der sie niemand kennenlernen konnten. Das alles war eine extreme psychische Belastung für Studierende.

Ich war in dieser Zeit als AStA Vorsitzende an der Uni Göttingen aktiv und bei uns wurde die Warteliste der Psychosozialen Beratungsstelle bereits im Oktober des Jahres wegen Überfüllung geschlossen. Das heißt, dass man nicht nur keinen Platz in der eigentlich niedrigschwelligen Beratung mehr bekommen hat, sondern noch nicht einmal sich auf die Warteliste für so einen Platz schreiben lassen konnte. Das kann und darf so nicht weiter gehen!

Auch nach der Corona Pandemie hält die hohe psychische Belastung für junge Menschen an. Schaut man sich die aktuelle Jugendstudie an, sieht man, dass junge Leute zwischen 14 und 29 Jahren mit Sorge in die Zukunft schauen. Durch Krisen wie die Klimakrise, Corona und die Inflation steigen diese Zukunftssorgen

Auch an den Unis braucht es deswegen genug Förderung der Resilienz von Studierenden zur Prävention psychischer Belastung. Und es braucht eine ausreichende Finanzierung von niedrigschwelligen psychosozialen Beratungsangeboten. Es ist extrem wichtig junge Menschen mit ihren Zukunftsängsten nicht länger allein zu lassen, sondern sie endlich ernst zu nehmen!

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