Antrag: Das juristische Staatsexamen digitalisiert - Dem Zeitalter von Nachwuchsjuristinnen und Nachwuchsjuristen gerecht werden.

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Grünen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Die juristische Arbeit hat sich in den letzten Jahren durch die fortschreitende Digitalisierung weiterentwickelt. Durch die Einführung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs und die elektronische Aktenführung in vielen Behörden sowie den Gerichten ist deutlich geworden, dass die juristische Praxisarbeit eben nicht mehr nur durch analoges Arbeiten mit handschriftlichen Notizen und Büchern geprägt ist.

Die Digitalisierung der Justiz zu forcieren, und damit die Bereitstellung der dafür erforderlichen Mittel sowie der Ausbau der digitalen Kompetenz aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Justiz, ist erklärtes Ziel der Regierungskoalition. Ausdrücklich vorgesehen ist auch die Schaffung der Möglichkeit des E–Examens, sowohl in der zweiten juristischen Staatsprüfung als auch sukzessive in der staatlichen Pflichtfachprüfung.

Hervorzuheben ist, dass die Digitalisierung unter den Studierenden an den Universitäten bereits weit vorangeschritten ist. Auch die Kommunikation mit den Professorinnen und Professoren und die Bereitstellung der Lernmaterialien erfolgt vielfach über Online-Plattformen. Es ist im juristischen Studium unumgänglich, digitale Medien zu nutzen und diese zu bedienen. Dies ist für die Studierenden eine Selbstverständlichkeit.

Eine Ableistung der Staatsexamina in digitaler Form ist für die angehenden Juristinnen und Juristen keine große Herausforderung. Vielmehr ist es eine Erleichterung für die physische Gesundheit sowie eine Integrierung des in der Ausbildung Erlernten in die digitale Arbeitsweise jenseits von Klausurpapier und Tinte.

Darüber hinaus sollte für die angehenden Nachwuchsjuristinnen und Nachwuchsjuristen der Umgang mit den justizspezifischen Anwendungsprogrammen wie beA der elektronischen Akte oder der elektronische Rechtsverkehr insgesamt selbstverständlich sein. Bereits heute werden deshalb Referendarinnen und Referendare im Rahmen der Ausbildung am Arbeitsplatz auf die digitale Arbeitsweise vorbereitet. Der weitere Ausbau ist selbstverständlich.

Insgesamt sind somit die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Digitalisierung der Justiz insbesondere auch im Referendariat spürbar. Es ist wichtig, dass sich die Ausbildung darauf einstellt.

Auch die Nachfrage der angehenden Juristinnen und Juristen ist dabei sehr groß. In Nordrhein-Westfalen entschieden sich 96,6% der Prüflinge des zweiten juristischen Staatsexamens dafür, ihre schriftliche Ausarbeitung elektronisch zu verfassen. In Sachsen-Anhalt schrieben bereits 2021 im zweiten Durchgang alle Examenskandidaten ihr Assessorexamen auf dem Notebook.[1]

Vor diesem Hintergrund bittet der Landtag die Landesregierung:

  1. zeitnah einen Vorschlag zur Umsetzung des E-Examens für die Aufsichtsarbeiten der zweiten juristischen Staatsprüfung vorzulegen und die Voraussetzungen zur Durchführung des E-Examens mittels eines Dienstleisters für die technische Umsetzung zu schaffen, damit das E-Examen für die zweite juristische Staatsprüfung in Niedersachsen schnellstmöglich an den Start gehen kann.
  2. sukzessive nach Einführung des E-Examens in der zweiten juristischen Staatsprüfung auch die Umsetzbarkeit in der staatlichen Pflichtfachprüfung in den Blick zu nehmen und dies sodann zeitnah zu realisieren. Hierbei sollen die Hochschulen in Niedersachsen (Hannover, Göttingen, Lüneburg und Osnabrück) unterstützend tätig werden.

 

Der Landtag als Haushaltsgesetzgeber ist sich darüber bewusst, dass die Umsetzung des E-Examens die Bereitstellung von finanziellen Ressourcen in erheblichem Umfang erfordert.

 

Begründung

Durch die bundesrechtliche Änderung des § 5d Abs. 6 DRiG obliegt es den Ländern, ob in den staatlichen Prüfungen schriftliche Leistungen elektronisch erbracht werden dürfen. In mehreren Bundesländern wurde das E-Examen bereits realisiert, vordergründig in den Aufsichtsarbeiten der zweiten juristischen Staatsprüfung. Um den Ausbildungsstandort Niedersachsen dabei grundsätzlich zu stärken, wäre eine landesweite Implementierung ebenfalls vorteilhaft. Zudem muss der juristische Abschluss auch der digitalen Lebens- und Berufswirklichkeit der angehenden Volljuristinnen und Volljuristen entsprechen.

Die Einführung des E-Examens in den juristischen Staatsexamina bietet zudem viele weitere Vorteile. Seitenweise handschriftliche Ausführungen sind als Prüfungsformat schlicht nicht mehr zeitgemäß. Die digitale Anfertigung der schriftlichen Arbeiten wirkt sich zudem positiv auf die physische Gesundheit der Kandidatinnen und Kandidaten aus. In der zweiten juristischen Prüfung werden 8 Klausuren verfasst. In den Klausuren erstellen die Referendarinnen und Referendare regelmäßig zwischen 20 und 30 Seiten handschriftlich. Bei höchstens einem bis zwei Tagen Erholungszeit zwischen den Klausuren sind Sehnenscheidenentzündungen keine Seltenheit. Manche Prüflinge nehmen prophylaktisch entzündungshemmende Medikamente oder tragen Handgelenksbandagen, um für die Dauer der Klausuren schreibfähig zu bleiben. Die Klausuren digital anzufertigen wirkt sich daher schonend aus und kann entsprechenden Krankheiten vorbeugen.

Zum andern trägt das digitale Jura-Examen zur Erhaltung der vom Landesjustizprüfungsamt zu gewährender Chancengleichheit bei. Die bereits jetzt schon gewährleistete Anonymisierung der Klausuren kann durch eine digitale Anfertigung noch besser dargestellt werden.  In der Handschrift möglicherweise zu erkennende Persönlichkeitsmerkmale wie zum Beispiel das Geschlecht der Verfasserin oder des Verfassers können weiter zurückgedrängt werden. Ebenso ist eine E-Klausur in der Regel für Prüferinnen und Prüfer besser lesbar als eine handschriftliche Klausur, sodass die Korrektur erleichtert wird. Weitere Erleichterungen im Verfahrensablauf der Prüfungen könnten sich zudem durch eine elektronische Korrektur ergeben, die perspektivisch mit in den Blick zu nehmen ist.  

Der Schwerpunkt für die digitale Förderung sollte darin liegen, die Nachwuchsjuristinnen und Nachwuchsjuristen in den Programmen der Justiz, dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach, der elektronischen Signatur und der elektronischen Aktenführung zu schulen. Dies sollte im Rahmen der Ausbildung am Arbeitsplatz noch weiter vertieft werden. Der Umgang mit digitalen Medien ist eine Schlüsselkompetenz für alle Nachwuchsjuristinnen und Nachwuchsjuristen, die auf dem Arbeitsmarkt als Standardfähigkeiten gefordert wird und werden kann. Klagen, Anträge, Urteile und die allgemeine Gerichtskorrespondenz sollen 2026 größtenteils digital erfolgen. Gerade im Hinblick auf das zweite juristische Staatsexamen, in welchem auch realbezogene Lösungsvorschläge erarbeitet werden müssen, sollte das von den Referendarinnen und Referendaren gelernte Wissen in ihrem digitalen Vorbereitungsdienst nicht mit einem Stift und einem Blatt Papier enden.

Die zweite juristische Staatsprüfung könnte mittels Einsatzes einer modernen Prüfungstechnik umgesetzt werden. Voraussetzung hierfür ist eine vertragliche Verpflichtung eines Dienstleisters am Markt, dem ein Zuschlag nach einem europaweiten Ausschreibungsverfahren zu erteilen ist. Dieser ist für die passgenaue technische Umsetzung und Anwendung der Prüfungstechnik zuständig. Ein solches Verfahren wurde bereits in anderen Bundesländern realisiert. Mit dieser Prüfungstechnik ließe sich die juristische Staatsprüfung zukünftig an einem digitalen Endgerät ablegen.  Von der Nutzung privater technischer Endgeräte ist dabei unter den Aspekten der Chancengleichheit und Prüfungssicherheit abzusehen. Alle Nachwuchsjuristinnen und Nachwuchsjuristen erhalten somit die gleichen technischen Möglichkeiten.

Ebenso ist es unter den genannten Umständen auch erforderlich, die staatliche Pflichtfachprüfung in den Blick zu nehmen und Überlegungen zur Umsetzung einer E-Prüfung auch in der Pflichtfachprüfung vorzunehmen, um sukzessive auch hier eine Realisierung anzustreben.

Aufgrund dessen bitten wir dem Antrag zuzustimmen und den digitalen Anforderungen der Nachwuchsjuristinnen und Nachwuchsjuristen gerecht zu werden sowie technisch versierte Juristinnen und Juristen auszubilden und zu prüfen.

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